Medieninformation Freitag, 07.02.2025, 13:23 Runder Tisch zu den Grenzen der Kinder- und Jugendhilfe mit den Landtagsfraktionen Verbesserungen in kritischen Obsorgesituationen wurden besprochen und die Grenzen der Möglichkeiten der Obsorge aufgezeigt
Bregenz (VLK) – Landesrätin Schöbi-Fink hat nach öffentlichem Bekanntwerden eines kritischen Obsorgefalls alle im Landtag vertretenen Parteien zu einem Gespräch eingeladen. Teilgenommen haben auch die Bezirkshauptleute sowie der Kinder- und Jugendanwalt. Dabei wurde eingehend auf Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe in Bezug auf Situationen, bei denen das Hilfesystem an seine Grenzen stößt, eingegangen. Ebenso konnten die VertreterInnen der Landtagsfraktionen Fragen zum Obsorgefall des 16-Jährigen an der BH Feldkirch stellen. Diese wurden – unter Berücksichtigung der Verschwiegenheitspflicht – von fachlicher Seite beantwortet.
Lückenlose Aufklärung: Landesrätin Schöbi-Fink hat zu Jahresbeginn die Fachaufsicht zur Prüfung eines kritischen Obsorgefalls eines 16-Jährigen beauftragt und den Kinder- und Jugendanwalt um seine Einschätzung gebeten. Der Zeitraum, während dem Jugendlichen der Kontakt zur Bezirkshauptmannschaft verwehrt wurde, wird kritisch gesehen. Darüber hinaus hat die Bezirkshauptmannschaft bereits eingeräumt, dass auch Fehler in der Kommunikation mit dem Jugendlichen passiert sind. Der Fall ist inzwischen von der Bezirkshauptmannschaft, der Fachaufsicht im Amt der Landesregierung und dem Kinder- und Jugendanwalt intensiv aufgearbeitet worden. Aus gegebenem Anlass wurde seitens der Fachaufsicht nochmals deutlich auf die Standards bzgl. der Ausübung der Obsorge durch den Kinder- und Jugendhilfe-Träger hingewiesen – vor allem auch dann, wenn es zu einem Abbruch einer Hilfe zur Erziehung (Volle Erziehung) kommt.
Die Evaluierung der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe im Jahr 2023 hat dem KJH-System Vorarlberg ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Die abgeleiteten Empfehlungen für die künftige weitere Qualitätsentwicklung werden sukzessive mit allen Systempartnerinnen und -partnern bearbeitet und in die Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe implementiert. Landesrätin Schöbi-Fink betont: „Die Kinder- und Jugendhilfe leistet wichtige und wertvolle Arbeit. Ich habe größten Respekt vor den Mitarbeitenden und bedanke mich für ihren täglichen Einsatz zum Wohle der Kinder und Jugendlichen!“. Beim Termin mit den Landtagsfraktionen betonte die Landesrätin, dass sie die neue Ressortzuständigkeit sehr ernst nehme: „Durch die mediale Berichterstattung ist uns allen klargeworden, dass wir bezüglich der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe noch weiteren Sensibilisierungs- und Aufklärungsbedarf in der Gesellschaft haben. Das möchte ich mir als neue Landesrätin für Kinder- und Jugendhilfe zur Aufgabe machen.“
Durch die Kinder- und Jugendhilfeabteilungen wurden im Jahr 2024 in 2.319 Fällen Hilfen zur Unterstützung zur Erziehung gewährt. In 397 Fällen wurde eine volle Erziehung in Einrichtungen und in 267 Fällen eine volle Erziehung in Pflegefamilien installiert. Von den 397 Kindern und Jugendlichen kommt es bei 6,5 Prozent zu einem Abbruch. Im Großteil dieser Fälle wird die volle Erziehung nicht mehr nötig, weil diese wieder von den Obsorgeberechtigten wahrgenommen werden kann, weil sie die Minderjährige bzw. den Minderjährigen wieder nach Hause übernehmen können. Auch ein Abbruch durch den Minderjährigen/die Minderjährige selbst oder durch die Einrichtung kommt vor. Wenn Jugendliche von Einrichtungen der privaten Kinder- und Jugendhilfe nicht mehr betreut werden können, werden dem oder der Jugendlichen im Rahmen von Hilfeplanungen so lange Unterstützungsangebote gemacht, bis wieder eine Aufnahme in eine geeignete Einrichtung möglich ist. Dazu muss aber auch die Bereitschaft des oder der Jugendlichen, das Angebot anzunehmen, gegeben sein.
Abbruch von Betreuungsverhältnissen
In äußerst seltenen Fällen – bei sogenannten „Grenzgängern“ – kann es zu Situationen kommen, bei denen das gesamte Hilfesystem an seine Grenzen stößt. Der Abbruch von Betreuungsverhältnissen durch Minderjährige selbst oder durch die Einrichtung ist nicht nur in Vorarlberg eine Herausforderung für das System der Kinder- und Jugendhilfe, sondern in ganz Österreich. „Grenzgänger“ – wie Minderjährige, die sowohl die Betreuungs- und Bildungssysteme als auch die Sicherheit und Gesundheitssysteme oft an die Grenzen bringen, genannt werden – gibt es nicht nur in Vorarlberg. „Aber es gibt sie und es ist wichtig, auf deren Lebenssituation zu reagieren und im Sinne der Kinder und Jugendlichen alles Mögliche zu versuchen, um die richtige Hilfestellung zu finden“, so Landesrätin Schöbi-Fink. Aus diesem Grund wurde dieses Thema auch schon vor längerer Zeit in die Ausbildung der KJH-Mitarbeitenden (KJH-Lehrgang) implementiert. Im Frühjahr 2025 ist zudem seit längerem ein Vernetzungstreffen mit allen Systempartnern sowie VertreterInnen der Wissenschaft zum diesem Thema geplant, um auch diese für diese Problematik zu sensibilisieren. Eingeladen werden VertreterInnen aus der Kinder- und Jugendhilfe, Polizei, Justiz sowie Politik.
- Redaktion
- Gerhard Wirth