Medieninformation Dienstag, 07.10.2025, 14:51 Gemeinsam Sicherheit pflanzen! Aufforstungsaktion im Rutschungsgebiet Hörbranz-Hochreute
Hörbranz (VLK) – Die Gesellschaft für die Themen Naturgefahren und Schutzwald sensibilisieren – das ist das Ziel der bereits dritten bundesweiten „Woche des Schutzwaldes“ (6. bis 10. Oktober). Im Gebiet Hörbranz-Hochreute zeigt sich die Bedeutung dieser Thematik besonders deutlich. Elementarereignisse wie die Großrutschung im April 2023 können Schutzwälder zerstören und ihre Wirkung für Jahrzehnte außer Kraft setzen. In solchen Fällen ist eine rasche Wiederherstellung der Schutzwirkung erforderlich. Deshalb wird hier derzeit aufgeforstet – tatkräftig unterstützt von der Bevölkerung und heute im Rahmen der Pressekonferenz auch von Schülerinnen und Schülern der 1. Klasse Mittelschule Hörbranz. Landesrat Christian Gantner und Vertreter des Landesforstdienstes, des Forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) und der Marktgemeinde Hörbranz informieren über das bisher Geschehene, den aktuellen Stand und die geplanten weiteren Maßnahmen auf der Hochreute und für die Schutzwälder in ganz Vorarlberg.
Der Schutzwald spielt gerade in einem gebirgigen und wasserreichen Land wie Vorarlberg eine lebenswichtige Rolle vor allem bei der Prävention von Schäden durch Naturgefahren wie Lawinen, Rutschungen, Steinschlag oder Oberflächenabfluss. Rund die Hälfte des Waldes in Vorarlberg – 49.000 von insgesamt 97.600 Hektar Waldfläche – erfüllt eine Schutzfunktion für Siedlungsgebiete und Infrastruktur.
Schutzwaldpflege – ein Schwerpunkt der Vorarlberger Waldstrategie 2030+
Der Schutzwaldpflege wird in Vorarlberg seit vielen Jahren besonderes Augenmerk gewidmet. Die Erhaltung und Verbesserung der Schutzwirkungen des Waldes zählt zu den großen Schwerpunkten der Vorarlberger Waldstrategie 2030+. „Unsere Schutzwälder schützen Verkehrswege und Siedlungsräume vor Lawinen, Muren, Steinschlag und Rutschungen – sie sind damit ein unverzichtbarer Schutz für Mensch, Tier und Natur. Ohne intakte Schutzwälder wäre rund zwei Drittel des Siedlungsraumes in Vorarlberg nicht bewohnbar“, betont Landesrat Gantner.
Im Schutzwald geht es darum, eine funktionsfähige Dauerbestockung aus verschiedenen standortangepassten Baumarten und mit einer stabilen Waldstruktur zu schaffen bzw. zu erhalten. Schutzwälder benötigen – mehr noch als reine Wirtschaftswälder – intensive standortangepasste Pflege, um gegen die Einwirkungen von Elementargefahren und Klimaänderungen widerstandsfähig zu sein. Die Verjüngung mit geeigneten Baumarten ist dafür die Voraussetzung. Mangelnde Pflege und Extremereignisse (Lawinen, Massenbewegungen, Sturm, Waldbrand, Schneebruch, Eisbruch, Erosion, Borkenkäfer) können Schutzwälder letztlich zerstören. Die dann erforderliche rasche Wiederherstellung der Schutzwirkung ist letztlich auch eine Kostenfrage. Technische Verbauungen können dabei eine notwendige Ergänzung sein, aber nie die Erhaltung und natürliche Sanierung der Schutzwälder ersetzen.
„Den Wald einfach sich selbst zu überlassen, wäre keine Lösung. Er braucht gezielte Pflege und muss genutzt werden, damit er alle seine Schutzfunktionen erfüllen kann. Nur durch ‚Schützen durch Nützen‘ können wir langfristig Schäden verhindern und hohe Folgekosten vermeiden – denn eine Aufforstung nach einem Verlust ist ungleich teurer als laufende Pflege“, so Landesrat Gantner.
Arten von Schutzwald
Wie entscheidend die Aufgaben und Funktionen des Schutzwaldes tatsächlich sind, zeigt sich auch an seiner vielfältigen Ausprägung. Grundsätzlich kann zwischen drei Arten von Schutzwald unterschieden werden, erläutert Landesforstdirektor Andreas Amann.
Standortschutzwälder sichern ihren eigenen Standort, wenn dieser durch abtragende Kräfte (Wind, Wasser, Schwerkraft) gefährdet ist. Das erfordert eine besondere Behandlung zum Schutz des Bodens und des Bewuchses sowie zur Sicherung der Wiederbewaldung.
Objektschutzwälder schützen Menschen, Siedlungen, Infrastruktur oder kultivierten Boden vor Gefahren wie Lawinen, Steinschlag oder Rutschungen und speichern abfließendes Niederschlagswasser.
Bannwälder sind mit Bescheid definierte Objektschutzwälder zur direkten Abwehr bestimmter Gefahren. Die Bannlegung bedeutet, dass erforderliche Maßnahmen und Unterlassungen von der Forstbehörde vorgeschrieben werden. Falls dadurch finanzielle Nachteile entstehen, haben Waldeigentümer Anspruch auf Entschädigung.
Die unterschiedlichen Arten von Schutzwald verdeutlichen, welch vielfältige Aufgaben der Wald in unserem Lebensraum erfüllt. Um diese Funktionen auch in Zukunft zu sichern, wurde auf Bundesebene ein umfassendes Aktionsprogramm erarbeitet.
Bundesweites „Aktionsprogramm Schutzwald: Wald schützt uns!“
Das bundesweite „Aktionsprogramm Schutzwald: Wald schützt uns!“ wurde gemeinsam mit Expertinnen und Experten sowie regionalen Stakeholder aus der Praxis erarbeitet. Es beinhaltet zahlreiche strategische Maßnahmen und konkrete Projekte, um den Schutzwald in Österreich auch dauerhaft zu stärken. Ziele und Inhalte des Aktionsprogrammes sind:
Rasche Wiederherstellung bzw. Ausbau der Schutzwirkung der Wälder in Österreich erreichen: Im Schutzwald ist der Schutzzweck übergeordnet.
Verstärktes Bewusstsein dafür entwickeln, welche Leistungen der Wald zum Schutz des Eigentums und Lebensraums leistet – und damit Begünstigte zu Beteiligten machen.
Schutzwälder werden klimafit und resilienter gegen biotische (Borkenkäfer) und abiotische (Windwurf und Schneedruck) Gefahren und deren Folgewirkungen.
Raumnutzungsansprüche an den Schutzwald sind nachhaltig und ausgewogen.
Akteure, die den Nutzen haben, beteiligen sich angemessen an den Maßnahmen zur Sicherung des Schutzwaldes.
Die Bewirtschaftung der Schutzwälder soll für Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer attraktiv sein.
Schutzwald ist ein wertvoller Lebensraum für Pflanzen und Tiere.
Forschung und Ausbildung erweitern die Wissensbasis für Anpassungen im Schutzwald.
Das Schutzwaldmanagement erfolgt effizient und wirkungsorientiert.
Auch über die Grenzen hinaus ist eine europäische Schutzwaldpolitik notwendig.
Forsttechnischer Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung
Eine wesentliche Partnerin der Schutzwälder ist die Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV). Der Forsttechnische Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) ist eine nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Klima und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft (BMLUK). Die Sektion Vorarlberg besteht aus den Gebietsbauleitungen Bregenz (zuständig für die Bezirke Bregenz, Dornbirn und Feldkirch) und Bludenz (zuständig für den Bezirk Bludenz). „Über 80 Prozent der Landesfläche Vorarlbergs liegen in Einzugsgebieten von Wildbächen und Lawinen. Entsprechend groß ist die Bedeutung einer engen Abstimmung zwischen Verbauungsmaßnahmen seitens der Wildbach- und Lawinenverbauung und der Schutzwaldpflege. Unsere Aufgabe ist es, mit technischen Maßnahmen die naturgegebene Schutzfunktion zu unterstützen“, so Sektionsleiter Gerald Jäger.
Fakten zur Wildbach- und Lawinenverbauung in Vorarlberg:
1.623 Wildbacheinzugsgebiete
1.695 Lawineneinzugsgebiete
85 Gefahrenzonenpläne der Gemeinden
30.463 Bauwerke der Wildbach- und Lawinenverbauung
36 Mitarbeitende (Verwaltung/Technik)
75 Arbeiter auf den Baustellen
Die Wildbach- und Lawinenverbauung investiert in Vorarlberg jährlich rund 22 Millionen Euro in Schutzbauten und in Flächenwirtschaftliche Projekte. Davon sind ca. 11,5 Millionen Euro Bundesmittel und ca. 4,1 Millionen Euro Landesmittel.
Großrutschung Hochreute – Investitionen in die Hangstabilisierung
Die Sanierung von Rutschungen ist ein wesentlicher Posten im jährlichen Baubudget der WLV in Vorarlberg – rund 2,8 Millionen Euro werden dafür eingesetzt. Besonders eindrücklich zeigte sich die Dimension dieses Themas am 28. April 2023 in der Hörbranzer Parzelle Hochreute: Aufgrund von vorangegangen Starkniederschlägen kam es dort zu einer Großhangbewegung. Fünf Wohnhäuser, zwei Wirtschaftsgebäude, fünf Hektar Wald und etwa zehn Hektar landwirtschaftliche Fläche wurden zerstört. Auch eine wichtige Abwasserleitung, die von der westlich gelegenen Nachbargemeinde Eichenberg über den Bereich der Großhangbewegung verläuft, wurde abgerissen.
Unmittelbar nach dem Beginn des Ereignisses leitete die WLV-Gebietsbauleitung Bregenz umfassende Schutz- und Überwachungsmaßnahmen ein. Gegen Ende 2023 spitzte sich die Lage nochmals dramatisch zu – weitere zehn Wohnobjekte waren gefährdet. Durch den raschen und koordinierten Einsatz aller Beteiligten konnten die gefährdeten Wohnobjekte gesichert werden. Der Hang ist mittlerweile stabilisiert. Bis Ende 2024 investierte die WLV rund vier Millionen Euro in die Sicherung des Hanges und den Schutz der Parzelle Hochreute.
Die Großrutschung in der Parzelle Hochreute stellte die Gemeinde Hörbranz vor eine der größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte. Die Zusammenarbeit von Land, Gemeinde, WLV, Forstdienst, Einsatzorganisationen und die große Hilfsbereitschaft seitens der Bevölkerung ermöglichte rasche wirksame Maßnahmen; die Freiwillige Feuerwehr Hörbranz beispielsweise leistete rund 1.500 ehrenamtliche Stunden. „Es waren dramatische Wochen, in denen wir als Gemeinde sehr schwierige Entscheidungen treffen mussten. Dass heute dennoch so vieles erhalten werden konnte, ist dem professionellen und engagierten Zusammenspiel vieler Stellen zu verdanken“, sagt Bürgermeister Andreas Kresser und führt weiter aus: „was mich seither immer wieder berührt, ist diese große Bereitschaft der Menschen, mitanzupacken – sei es unmittelbar nach dem Ereignis durch die Feuerwehr oder später durch zahlreiche Einzelpersonen, die gefragt haben: ‚Was kann ich tun?‘.“
Aktion „Aufbäumen“
Aus dieser Bereitschaft heraus entstand im Frühjahr 2025 die Aktion „Aufbäumen“ – eine gemeinsame Initiative von Gemeinde, Landesforstdienst, Wildbach- und Lawinenverbauung sowie dem Waldverein Vorarlberg. Im Rahmen mehrerer Aufforstungsaktionen wurden rund 5.000 Pflanzen in den rutschgefährdeten Bereichen gesetzt; auch Schulklassen wirkten mit. Heute, nur wenige Monate später, lässt sich bereits erkennen, dass diese Anstrengungen Früchte tragen: Die Jungpflanzen sind gut angewachsen – ein erster sichtbarer Schritt der Wiederbewaldung. Bis der Schutzwald seine volle Wirkung zurückerlangt, braucht es Zeit und kontinuierliche Pflege.
Ein besonderes Zeichen wird heute während der Pressekonferenz gesetzt: Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Mittelschule Hörbranz pflanzen Landesrat Christian Gantner, Landesforstdirektor Andreas Amann, Sektionsleiter der WLV Gerald Jäger und Bürgermeister Andreas Kresser im Rutschungsgebiet rund 180 neue junge Bäume aus dem Landesforstgarten. Damit wird nicht nur über die Bedeutung des Schutzwaldes gesprochen, sondern auch sichtbar, wie er Schritt für Schritt wieder aufgebaut wird.
„Hier in Hörbranz-Hochreute haben wir erlebt, wie schnell und massiv die Natur ihre Kraft entfalten kann, wenn der Wald fehlt – und wie sehr uns Menschen das unmittelbar trifft. Einen hundertprozentigen Schutz vor Naturgefahren wird es nie geben. Aber wir können handeln, wir können wieder pflanzen, wir können Verantwortung übernehmen. Das heutige gemeinsame ‚Aufbäumen‘ zeigt den Zusammenhalt in unserem Land und schafft Sicherheit für die kommenden Generationen“, so Landesrat Gantner abschließend.
Weitere Informationen zum Thema:
• Broschüre „Der Schutzwald in Österreich“ (www.bmluk.gv.at/service/publikationen/wald/der-schutzwald-in-oesterreich)
• Infos, Karten und Hintergründe auf www.schutzwald.at
- Redaktion
- Gerhard Wirth
Pressebilder
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